Wie unsere Wahrnehmung die Gestaltung beeinflusst – Teil 1
- Autor
Susanne Fankhauser - Veröffentlicht
17.05.2021 - Kategorie
User Experience
Manche sehen Jesus auf einem Toastbrot, Tiere oder andere Objekte in einem Wolkengebilde, Milchschaum und ähnlichem. Woher kommen diese Assoziationen?
Es liegt daran, dass unser Gehirn versucht, der Welt um uns herum Sinn zu geben, indem es frühere Erfahrungen oder visuelle Muster vergleicht und diese Punkte miteinander verbindet. Wir nehmen Formen und Gestalt war, gruppieren Informationen und versuchen die Lücken zu füllen, um das grosse Ganze zu verstehen.
Was sind Gestaltgesetze?
Das Wissen, wie unser Gehirn arbeitet, können wir für die visuelle Kommunikation nutzen. Es kann dabei helfen, Inhalte zu organisieren und die Aufmerksamkeit zu lenken.
Um diese Verbindung zwischen visuellem Design und Psychologie zu verstehen, können uns die Gestaltgesetze helfen.
Die ersten Gestaltgesetze wurden in den 1920er Jahren von den deutschen Psychologen Max Wertheimer, Kurt Koffka und Wolfgang Kohler entwickelt, die zu verstehen versuchten, wie Menschen aus den chaotischen Reizen um sie herum sinnvolle Wahrnehmungen gewinnen.
Auf diesen Grundsätzen basieren die Gestaltgesetze:
- Das Ganze wird vor den Teilen erkannt. Wir erkennen zuerst Umrisse einer Form und dann erst Details.
- Unser Verstand füllt die Lücken. Unser Gehirn gleicht das, was wir sehen, mit vertrauten Mustern in unserem Gedächtnis ab und füllt die Lücken auf.
- Der Verstand versucht, Unsicherheit zu vermeiden. Manche Objekte sind mehrdeutig und können auf verschiedene Weise wahrgenommen werden. Unser Gehirn springt zwischen den Alternativen hin und her, wir können nicht beides auf einmal sehen (z.B. optische Täuschungen).
- Wir sind gut im Erkennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Unser Gehirn kann Objekte aus verschiedenen Perspektiven erfassen, obwohl sie unterschiedlich aussehen.
Wie helfen uns die Gestaltgesetze?
Auch beim Besuch einer Website orientieren wir uns an bisherigen Erfahrungen und erwarten, dass sich Elemente an einer bestimmten Stelle befinden oder auf eine bestimmte Art verhalten.
Wenn wir diese Erwartungen und Verhaltensmuster kennen und erfüllen, können wir sicherstellen, dass die Nutzer sich zurechtfinden und wohlfühlen. Dafür können wir die Gestaltgesetze anwenden. Manchmal kann es aber auch nicht schaden, die Gesetze zu brechen, um so mehr Spannung zu erzeugen. Aber wie hat mein Lehrmeister schon gesagt, man muss die Regeln kennen, um sie zu brechen. In diesem und einem nachfolgenden Artikel lernen wir nun also die Gestaltgesetze näher kennen.
Gesetz der Nähe
Elemente, die nahe beieinander liegen, werden wahrscheinlich als Teil der gleichen Gruppe wahrgenommen. Liegen sie weiter auseinander, erscheinen sie voneinander getrennt.
Zusammengehörige Informationen (z.B. ein Bild und Bildlegende) werden gruppiert und mit Hilfe von Weissraum von nicht zugehörigen Elementen abgetrennt. Dies schafft eine klare Struktur und macht ein Layout übersichtlicher und einfacher scanbar. Nutzer finden sich so einfacher zurecht.
Gesetz der Ähnlichkeit
Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig empfunden als einander unähnliche. Diese Elemente müssen nicht identisch sein, sondern mindestens ein visuelles Merkmal wie z.B. Farbe, Form, Position oder Grösse teilen, um als Teil der gleichen Gruppe wahrgenommen zu werden.
Dieses Gesetz der Ähnlichkeit hilft dabei, Elemente zu ordnen und mit einer Bedeutung oder Funktion zu verknüpfen. So haben z.B. auf einer Website alle Links die gleiche Farbe, die Schriftauszeichnung (fett, kursiv, Grösse usw.) weist darauf hin, wie die Textteile zusammengehören und die gleiche Art von Information (z.B. Überschrift) abbilden.
Gesetz der Einfachheit
Das Gesetz der Einfachheit besagt, dass unser Verstand alles in seiner einfachsten Form wahrnimmt. Wenn wir mit komplexen Formen konfrontiert werden, neigen wir dazu, sie in einfachere Komponenten oder in ein einfacheres Ganzes umzuorganisieren.
Elemente im Vordergrund werden als wichtiger wahrgenommen als Elemente im Hintergrund. Durch die Einfachheit und eindeutige Unterscheidung zwischen Hintergrund und Figur kann sich der Nutzer in einem Design gut orientieren und die wirklich relevanten Elemente sofort erkennen.
Gesetz der Kontinuität
Elemente, die in einer Linie oder einer weichen Kurve angeordnet sind, werden als verwandter wahrgenommen als solche, die zufällig oder in einer scharfen Kurve positioniert sind.
Kontinuität hilft, sich in einem Layout zu orientieren, die lineare Anordnung von Zeilen und Spalten sind ein gutes Beispiel dafür. Das Prinzip der Kontinuität stärkt die Wahrnehmung von gruppierten Informationen, schafft Ordnung und führt den Benutzer durch verschiedene Bereiche des Inhalts. Eine Unterbrechung der Kontinuität kann auf das Ende eines Abschnitts hinweisen und die Aufmerksamkeit auf einen neuen Inhalt lenken.
Fazit
Die Gestaltgesetze beschreiben, wie wir Dinge visuell wahrnehmen und sind deshalb für einen Designer wichtig zu verstehen.
Kurz zusammengefasst:
- Gesetz der Nähe
Elemente, die nahe beieinander liegen, werden als Teil einer Gruppe wahrgenommen. - Gesetz der Ähnlichkeit
Ähnliches wird als zusammengehörig empfunden. - Gesetz der Einfachheit
Unser Verstand versucht, komplexe Formen in ein einfacheres Ganzes umzuorganisieren. - Gesetz der Kontinuität
Elemente, die in einer Linie angeordnet sind, werden als verwandt wahrgenommen.
Im nächsten Teil geht es um Geschlossenheit, Symmetrie, Verbundenheit, Regionen und ein gemeinsames Schicksal.