Von der typografischen Lesbarkeit zum Schreiben lesbarer Texte
- Autor
Susanne Fankhauser - Veröffentlicht
13.11.2020 - Kategorie
User Experience
Content is king – dieser Grundsatz gilt in der Typografie schon seit Gutenbergs Zeiten. Typografie ist ein Werkzeug, welches richtig genutzt einen Text visuell ansprechender machen und ihm mehr Persönlichkeit verleihen kann. Sie hilft dem Leser dabei, einen Text zu erfassen und zu verstehen. Nutzen wir ein paar einfache Punkte aus diesem typografische Wissen, um Texte direkt beim Schreiben zu «gestalten», so können wir die potentiellen Leser für uns gewinnen 😉
Faktoren, die die Lesbarkeit beeinflussen
Schriftart – Helvetica, Bodoni oder doch lieber Comic Sans?
Es gibt kein Richtig oder Falsch, es gilt, die richtige Schrift für die richtige Aufgabe zu finden. Die Schrift muss in ihrer Form und Wirkung zum Thema und Zielpublikum passen. Eine eher kindlich wirkende Schrift, wie eben die Comic Sans, wäre für einen Finanzdienstleister eine ungünstige Wahl und würde die Seriosität der Information in Frage stellen.
Wird eine Schrift nur für einen Titel in grosser Grösse verwendet, gelten andere Kriterien als für einen Fliesstext.
Layout – gut strukturiert ist halb gewonnen
Wir haben alle bestimmt schon Texte lesen müssen, mit langem Fliesstext, ohne Absätze, ohne Zwischentitel, einfach unendliche Bleiwüsten. Es ist schwer, sich an etwas aus solchen Texten zu erinnern oder Informationen wiederzufinden.
Strukturiert man den Inhalt, indem sich Titel, Zwischentitel und Fliesstext klar voneinander unterscheiden, ist die Information leichter zu erfassen. Fügt man noch ein paar Absätze ein, so ist unser Leser schon viel glücklicher. Der Fliesstext sollte dem Medium entsprechend leicht zu lesen sein (Schriftgrösse, für die Älteren unter uns). Auf Zeitungspapier liest es sich anders, als auf einem hochauflösenden Monitor.
Auch die Zeilenlänge beeinflusst Lesegeschwindigkeit und -komfort. Zu kurze Zeilen stören den Lesefluss, weil das Auge ständig hin und her springen muss. Zu lange Zeilen können das Lesen ebenfalls stören, es wird schwieriger fürs Auge, vom Ende der einen zum Anfang der nächsten Zeile zu springen. Der Zeilenabstand darf weder zu eng (schwierig einzelne Zeilen auseinanderzuhalten) noch zu weit (die Zeilen werden nicht mehr als zusammengehörig wahrgenommen) sein.
Kontrast – heller, dunkler, dicker oder dünner
Es geht nicht nur darum ob sich der Text farblich gut vom Hintergrund unterscheidet. Auch die Schriftstärke (leicht, normal, fett usw.) spielt eine Rolle. So kann auch ein schwarzer Text auf weissem Grund sehr schwer lesbar sein, wenn er in einer in «leicht» gesetzten Schrift daherkommt.
Fliesstext und Titel sind entweder durch Grösse und/oder Schriftstärke gut voneinander zu unterscheiden. Falls das nicht der Fall ist, sollten wir unsere Wahl noch einmal überdenken.
Schrift ist wie ein Löffel, wenn ich mich am Abend an die Form des Löffels erinnere, mit dem ich am Mittag meine Suppe gegessen haben, dann war es eine schlechte Löffelform.
Adrian Frutiger, Typograf, Gestalter, aus «Frutiger Schriften. Das Gesamtwerk.»
Gestalten, um leserlich zu schreiben
Was können uns die obigen typografischen Regeln zur Lesbarkeit zum Schreiben von Texten sagen? Wie bringe ich den Besucher meiner Website dazu, meinen Inhalt zu lesen?
Studien belegen, dass Leute online nicht lesen, sie scannen. Im Durchschnitt lesen sie beim Besuch einer Website gerade mal 28% der Wörter. Diese Leute haben ein Ziel, sie suchen nur methodisch nach Informationen, die für ihre Bedürfnisse relevant sind. Heisst das nun, unsere Mühe, einen interessanten Text zu schreiben, sind umsonst? Nein, wir müssen ihn nur so gestalten, dass die Struktur dem Verhalten der Leser entgegenkommt.
- Prinzip der umgekehrten Pyramide: Wichtige Informationen am Anfang (Lead/Intro als kurze Zusammenfassung), Details folgen weiter unten
- Klare Titel und Zwischentitel verwenden
- Fliesstext aufteilen in kleinere Abschnitte
- Sprache der Zielgruppe verwenden (kein Fachchinesisch), kurze Sätze
- Für den Besucher relevante Informationen priorisieren (keine Innensicht)
- Weniger ist mehr, fasse dich kurz
- Auflistungen verwenden
- Ein Bild oder Diagramm sagt mehr als tausend Worte
- Call-to-Action (Aufforderung zum Handeln) am Ende
Verwechseln Sie nicht Lesbarkeit mit Kommunikation. Nur weil etwas lesbar ist, bedeutet das nicht, dass es etwas kommuniziert und noch viel wichtiger, es bedeutet nicht, dass es das Richtige kommuniziert.
David Carson, Designer